Dienstag, 14. August 2012

Zeit

Vor ungefähr einem Jahr ... es war auf jeden Fall das zweite Wochenende im August ... blieb meine Uhr stehen. Ein kleines unauffälliges Teil noch mit Zeigern, ein Geschenk meiner Eltern vor längerer Zeit zum Geburtstag. Bestimmt schon lange nicht mehr modern, aber Uhren gehören zu den Dingen, die ich einmal habe und die einfach da sind. Ja ich oute mich, meine Uhren gehen nicht mit der Zeit, sie sollen sie mir nur zuverlässig anzeigen. So selbstverständlich, wie ich morgens und abends meine Zähne putze, so wurde die Uhr morgens ans Handgelenk gebunden und abends auf den Nachttisch gelegt. Und wenn sie doch mal stehenblieb, kriegte sie vom Uhrmacher meines Vertrauens eine neue Batterie.

Nun war's aber vor einem Jahr nicht die Batterie, es war die Neun. Die Neun oder eher der kleine Strich an der Stelle der Neun war auf Wanderschaft gegangen. Einfach abgegangen war er und hatte beschlossen, den großen Zeiger festzuhalten ... ein Zeichen?

Am Anfang war's wohl eher fehlende Zeit, eine neue Uhr zu kaufen. Oder Sparsamkeit? Die meiste Zeit des Tages sitze ich am Computer, der zeigt zuverlässig die Zeit, diverse Programme bieten an, mich rechtzeitig zu erinnern, wann es Zeit ist für dies und für das. Unterwegs hat inzwischen auch frau fast jederzeit ein Handy griffbereit. Auch das verät freiwillig, wie spät es ist, Wecken kann es auch. In Küche und Bad hängt jeweils eine große Uhr an der Wand, damit die Trollfamilie rechtzeitig aus dem Haus kommt, auch wenn diese Uhren nicht immer helfen können ...

Mit der Zeit hab ich mich also daran gewöhnt, keine Uhr mehr am Handgelenk zu haben. Vor allem im Urlaub und am Wochenende wollte ich nicht nach der (Uhr)Zeit leben, kam ich auch ganz gut ohne Uhr aus ... dachte ich zumindest, bis ich mich erwischt habe, immer öfter das Handy einzuschalten ... nur wegen der Zeit ...

Nun ist mir bewusst geworden, dass ein Jahr nicht gereicht hat, mein Zeitempfinden auch ohne ständige Uhr wieder zu trainieren. Ohne Zeitwissen erscheint der Tag schon fast vorbei, nur weil sich gerade Gewitterwolken vor die Sonne schieben. Ohne Zeitwissen krieg ich nach manch schöner Stunde ein schlechtes Gewissen, weil sie gefühlt lang wie drei war und ich doch noch zu viel zu tun habe. Ohne Uhr am Handgelenk greife ich viel öfter zu anderen Zeitanzeigern, weil unser Alltag inzwischen so vollgepackt ist, dass wir uns doch so oft nach ihr richten müssen.

So werde ich mir wohl in dieser Woche wieder eine Uhr kaufen und ständig am Handgelenk tragen. Und ich werde nach einem Blick auf die Uhr zwar wie vorher selten wissen, wie spät es gerade ist, aber ich werde das beruhigende Gefühl genießen, wenn ich weiß, dass ich noch Zeit habe ...

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